Wenn der Strom ausfällt: Warum Microgrids mehr als nur eine technische Spielerei sind

 

In Marc Elsbergs Thriller „Blackout” geht es um einen europaweiten Stromausfall, der innerhalb weniger Tage zu Millionen Toten und dem Zusammenbruch der Zivilisation führt. Auch wenn das Szenario fiktiv ist: Die Anfälligkeit unserer hochvernetzten Stromversorgung ist real.

Ein Blick nach Wildpoldsried

Das bayerische Dorf Wildpoldsried hat bereits vorgemacht, wie es anders geht. Die 2.500-Einwohner-Gemeinde erzeugt durch Windkraft, Photovoltaik und Biogas fünf- bis achtmal so viel Energie, wie sie selbst verbraucht.

Im IREN2-Forschungsprojekt (2014-2018) wurde dort ein funktionierendes Microgrid demonstriert: 32 Anschlüsse – darunter eine Schule, ein Kindergarten und mehrere Haushalte – wurden bei einem simulierten Netzausfall automatisch vom Hauptnetz getrennt und im Inselbetrieb weiterbetrieben. Die Bewohner bemerkten nichts von der Umschaltung. Nach Behebung des „Ausfalls” erfolgte die automatische Re-Synchronisation mit dem Hauptnetz.

Das Wildpoldsried-Modell zeigt: Hybrid-Inverter können als zentrale Komponenten zusammen mit einem Microgrid-Steuerungssystem verschiedene dezentrale Energiequellen vernetzen und ein lokales Stromnetz stabil betreiben – auch wenn das übergeordnete Netz zusammenbricht.

Die Lösung liegt bereits in vielen Kellern

Die gute Nachricht: Viele moderne Hybrid-Inverter sind bereits heute technisch für Microgrid-Funktionen ausgestattet. In Deutschland gibt es über 4 Millionen PV-Anlagen, viele davon mit Batteriespeichern ausgestattet. Was fehlt, ist oft nur:

  • Die Freischaltung der Grid-Forming-Funktionalität (oft nur Software/Konfiguration)
  • Die Vernetzung mehrerer Systeme über ein Microgrid-Steuerungssystem
  • Die Koordination mit anderen lokalen Erzeugern und Verbrauchern
  • Die regulatorische Genehmigung für den Netzbetrieb

Das bedeutet: Die Hardware-Basis für resiliente Microgrids ist vielerorts bereits vorhanden! Es geht nicht um eine ferne Zukunftsvision, sondern um die intelligente Nutzung vorhandener Technik.

Der Schlüssel: Grid-Forming Hybrid-Inverter – Die Technologie ist bereits da!

Die entscheidende Technologie dahinter sind moderne Hybrid-Inverter mit Grid-Forming-Fähigkeit. Und das Beste: Diese Geräte sind bereits heute verfügbar und marktreif. Wenn Hybrid-Inverter entsprechend technisch ausgestattet sind, bieten sie schon jetzt eine ausgereifte Lösung für dezentrale Energieversorgung und Microgrids.

Was technisch ausgestattete Hybrid-Inverter heute leisten:

Kernfunktionen für Microgrid-Betrieb:

  • Grid-Forming (Netzbildung): Eigenständiger Aufbau eines stabilen 3-phasigen AC-Netzes mit definierter Spannung (230/400V) und Frequenz (50 Hz) – völlig unabhängig vom Hauptnetz
  • Nahtlose Umschaltung: Unterbrechungsfreier Wechsel zwischen Netzbetrieb und Inselbetrieb in <20 ms – schneller als eine halbe Netzperiode
  • Schwarzstart-Fähigkeit: Selbstständiger Systemstart aus der Batterie ohne externe Energiequelle
  • Multi-Source-Management: Parallelbetrieb und Synchronisation mehrerer Energiequellen (PV, Batterie, BHKW, Windkraft, Diesel-Generator)

Intelligente Steuerungsfunktionen:

  • Dynamisches Lastmanagement: Priorisierung kritischer Verbraucher (z.B. Kühlsysteme, medizinische Geräte, IT-Infrastruktur)
  • Bidirektionale Leistungsflussregelung: Optimierte Batterienutzung für maximale Autarkie
  • Frequenz- und Spannungsstabilisierung: Aktive Netzstützung auch im Normalbetrieb
  • Kommunikationsschnittstellen: Modbus, CAN-Bus, MQTT für Integration in übergeordnete EMS

Die Hardware ist serienreif: Moderne Hybrid-Inverter mit Grid-Forming-Funktion sind keine Zukunftstechnologie mehr, sondern ausgereifter Standard. Hersteller bieten heute Geräte mit Leistungen von 3 kW (Einfamilienhaus) bis zu mehreren Megawatt (Gewerbe/Industrie) an. Die Geräte sind zertifiziert nach VDE-AR-N 4110/4120 und erfüllen alle Netzanschlussbedingungen.

Der entscheidende Vorteil: Ein gut ausgestatteter Hybrid-Inverter kann das Herzstück eines Microgrids sein. In Kombination mit einem übergeordneten Energiemanagementsystem (EMS) wird aus einzelnen Komponenten ein koordiniertes, resilientes Energiesystem.

Praxis-Check: Was Sie beim Kauf beachten sollten

Wenn Sie heute einen Hybrid-Inverter anschaffen, achten Sie auf folgende Microgrid-relevante Ausstattungsmerkmale:

Grid-Forming-Zertifizierung (VDE-AR-N 4110/4120)

Schwarzstart-Fähigkeitaus der Batterie

Notstrom-/Ersatzstromfunktion mit <20 ms Umschaltzeit (für USV-Funktion)

3-Phasen-Betriebfür gewerbliche Anwendungen

Offene Kommunikationsschnittstellen(Modbus, MQTT, Modbus TCP)

Erweiterbarkeitfür Multi-Inverter-Systeme

Dynamisches Lastmanagement

Die gute Nachricht: Viele der heute verkauften Premium-Hybrid-Inverter erfüllen diese Anforderungen bereits ab Werk. Der Mehrpreis gegenüber einfachen Grid-Following-Geräten liegt typischerweise bei 10-20%, die Funktion ist aber um ein Vielfaches wertvoller.

Konkrete Handlungsempfehlungen:

  • Privatnutzer: Bei Neuanschaffung eines PV-Batterie-Systems auf Grid-Forming-Fähigkeit achten – die Mehrkosten sind überschaubar, der Nutzen erheblich
  • Unternehmen: Bestehende Anlagen auf Microgrid-Fähigkeit prüfen und ggf. durch Software-Update/Konfiguration erweitern
  • Kommunen/Stadtwerke: Quartierskonzepte mit vernetzten Hybrid-Invertern entwickeln und SVIK-Fördermittel beantragen
  • Planer/Installateure: Standardmäßig Microgrid-fähige Komponenten einplanen – Zukunftssicherheit kostet wenig Aufpreis

Warum Grid-Forming so wichtig ist

Herkömmliche Inverter sind „Grid-Following” – sie können nur dann arbeiten, wenn bereits ein stabiles Netz vorhanden ist. Sie folgen der Netzfrequenz und -spannung, können diese aber nicht selbst erzeugen.

Grid-Forming-Inverter hingegen können eigenständig ein Netz aufbauen und stabilisieren. Sie verhalten sich wie kleine Kraftwerke und bilden die Grundlage für echte Microgrid-Funktionalität.

Die Lösung ist verfügbar – jetzt handeln!

Der wichtigste Punkt: Wir müssen nicht auf zukünftige Technologieentwicklung warten. Grid-Forming-fähige Hybrid-Inverter sind heute bereits verfügbar, getestet und wirtschaftlich.

Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist:

  • Technische Reife: Die Technologie ist erprobt und serienreif
  • Wirtschaftlichkeit: Sinkende Batteriepreise und steigende Netzentgelte machen Microgrids zunehmend rentabel
  • Förderung: Das SVIK-Sondervermögen bietet aktuell Finanzierungsmöglichkeiten
  • Regulatorischer Rückenwind: VDE-Normen und Netzanschlussbedingungen sind bereits definiert
  • Versorgungssicherheit: Zunehmende Wetterextreme und Netzbelastungen erhöhen den Bedarf

Investitionen in moderne Hybrid-Inverter mit Grid-Forming-Funktion zahlen sich mehrfach aus:

  • Erhöhte Versorgungssicherheit bei Netzausfällen
  • Optimierter Eigenverbrauch und reduzierte Energiekosten
  • Beitrag zur Netzstabilität und Integration erneuerbarer Energien
  • Zukunftssicherheit durch modulare Erweiterbarkeit
  • Wertsteigerung der Immobilie oder des Betriebsstandorts

Deutschland braucht mehr als gute Absichten

Deutschland hat ehrgeizige Klimaziele und setzt massiv auf erneuerbare Energien. Doch der Ausbau dezentraler Erzeugung allein reicht nicht. Wir brauchen:

  1. Intelligente Steuerungsarchitektur – neben Grid-Forming-fähigen Hybrid-Invertern auch übergeordnete Steuerungstechnik für die Koordination mehrerer Anlagen, ergänzt durch entsprechende Steuerungs- und Kommunikationssysteme
  2. Lokale Speicherkapazität – ausreichend dimensionierte Batteriespeicher für mehrere Stunden oder Tage Inselbetrieb
  3. Umschalteinrichtungen – automatische Koppel- und Trennstellen zwischen Hauptnetz und Microgrid, ergänzt durch Kommunikationssysteme zur Koordination mit dem Netzbetreiber

Fördermöglichkeiten: Das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität

Die Bundesregierung hat mit dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK) im März 2025 die finanzielle Grundlage für eine umfassende Modernisierung der deutschen Energieinfrastruktur geschaffen:

Die Eckdaten:

  • 500 Milliarden Euro über 12 Jahre (seit Januar 2025)
  • 100 Milliarden Euro speziell für den Klima- und Transformationsfonds (KTF)
  • 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen
  • Explizit für Energieinfrastruktur vorgesehen

Förderfähige Bereiche für Microgrids:

  • Energieinfrastruktur (Wärme- und Energienetze, Stromspeicher)
  • Klimaneutralität bis 2045
  • Digitalisierung der Energieversorgung
  • Bevölkerungsschutz und kritische Infrastruktur
  • Forschung und Entwicklung

Für Kommunen, Stadtwerke und Unternehmen eröffnet das SVIK konkrete Investitionsmöglichkeiten in dezentrale, resiliente Energieversorgung. Microgrid-Projekte mit Grid-Forming-Invertern und intelligenten Steuerungssystemen passen perfekt zu den Förderzielen:

  • Integration erneuerbarer Energien
  • Erhöhung der Versorgungssicherheit
  • Beitrag zur Klimaneutralität
  • Modernisierung kritischer Infrastruktur

Handlungsempfehlung: Kommunen und Unternehmen sollten jetzt die Fördermöglichkeiten prüfen und Microgrid-Projekte planen. Die Mittel sind zeitlich begrenzt und die Nachfrage wird hoch sein.

Der Weg nach vorne

Die Technologie für resiliente, dezentrale Energieversorgung ist vorhanden – moderne Hybrid-Inverter mit Grid-Forming-Funktion sind der Schlüssel. Sie sind heute verfügbar, zertifiziert und einsatzbereit. Was jetzt fehlt, sind:

  1. Politischer Wille und Förderung – gezielte Unterstützung von Microgrid-Projekten durch Programme wie das SVIK, speziell für die Beschaffung und Installation von Grid-Forming-fähigen Hybrid-Invertern
  2. Bewusstseinsbildung – mehr Aufmerksamkeit für die technischen Möglichkeiten moderner Hybrid-Inverter und die Vorteile dezentraler, resilienter Energieversorgung
  3. Regulatorischer Rahmen – vereinfachte Genehmigungsverfahren für Microgrid-fähige Anlagen und deren Netzbetrieb, Anerkennung von Grid-Forming-Invertern als netzdienliche Komponenten
  4. Standardisierung und Best Practices – Leitfäden für die Planung und Installation von Microgrid-Systemen basierend auf modernen Hybrid-Invertern, Referenzprojekte und Erfahrungsaustausch

Der Ball liegt bei uns: Die Hardware ist da, die Technologie funktioniert, die Finanzierung ist möglich. Jetzt braucht es Akteure, die vorangehen – Kommunen, Unternehmen, Energieversorger.

Unternehmen, die bereits heute daran arbeiten

Einige Unternehmen arbeiten bereits aktiv an der Umsetzung dieser Zukunftsthemen. Die awb-it GmbH (www.awb-it.de) entwickelt intelligente Steuerungssysteme und Energiemanagement-Lösungen, die Grid-Forming-fähige Hybrid-Inverter in Microgrid-Systeme integrieren. Solche Pionierarbeiten zeigen: Die Technologie ist nicht nur theoretisch möglich, sondern wird bereits praktisch umgesetzt.

Marc Elsbergs „Blackout” mag Fiktion sein. Aber die Verwundbarkeit unserer zentralisierten Stromversorgung ist real. Grid-Forming-fähige Hybrid-Inverter und Microgrids bieten eine verfügbare, erprobte Lösung – wenn wir sie ernst nehmen und umsetzen.


Was denken Sie? Sollten wir in Deutschland mehr in dezentrale Energieversorgung und Microgrids investieren? Welche Rolle sollten Kommunen und Unternehmen dabei spielen?

Ich freue mich auf Ihre Gedanken in den Kommentaren!


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Quellenverzeichnis & weiterführende Informationen:

Wildpoldsried & IREN2-Forschungsprojekt:

Wikipedia – IREN2: https://de.wikipedia.org/wiki/IREN2

Industrie.de – Microgrid gelungen (Sept. 2017): https://www.industr.com/de/microgrid-gelungen-erster-inselnetzbetrieb-nur-mit-erneuerbaren-energ-2304004

Windkraft-Journal – Autarkes Stromnetz als Meilenstein (Sept. 2017): https://www.windkraft-journal.de/2017/09/05/autarkes-stromnetz-als-meilenstein-fuer-energiewendeprojekt/108396

B4B Schwaben – Meilenstein für die Energiewende: https://www.b4bschwaben.de/b4b-wissen/allgaeu_artikel,-meilenstein-fuer-die-energiewende-in-wildpoldsried-erreicht-_arid,252132.html

Bayern Innovativ – Smart Grid: https://www.bayern-innovativ.de/de/seite/smart-grid-intelligent-nachhaltig


Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK):

Bundesregierung – Investitionsoffensive für das ganze Land: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/sondervermoegen-2356240

Bundesfinanzministerium – Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität: https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Oeffentliche_Finanzen/SVIK/sondervermoegen-infrastruktur-klimaneutralitaet.html

Bundesfinanzministerium – FAQ zum Sondervermögen: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/sondervermoegen-infrastruktur-klimaneutralitaet.html

Deutscher Bundestag – Etat 2025: SVIK: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1098154

Deutscher Bundestag – Gesetz zum SVIK: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1098824

Wikipedia – Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität: https://de.wikipedia.org/wiki/Sondervermögen_Infrastruktur_und_Klimaneutralität

DIHK – Sondervermögen Infrastruktur: https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/sondervermoegen-infrastruktur-500-milliarden-euro-fuer-investitionen-130180

Noerr Rechtsanwälte – Analyse zum SVIK: https://www.noerr.com/de/insights/das-neue-sondervermoegen-infrastruktur-in-hoehe-von-eur-500-milliarden


Literatur:

Marc Elsberg – “Blackout – Morgen ist es zu spät”: Blanvalet Verlag, 2012, ISBN 978-3-7645-0445-8

Wikipedia – Blackout (Roman): https://de.wikipedia.org/wiki/Blackout_–_Morgen_ist_es_zu_spät


Technische Normen & Standards:

VDE-AR-N 4110 – Technische Anforderungen an den Anschluss und Betrieb von Kundenanlagen an das Mittelspannungsnetz (TAR Mittelspannung)

VDE-AR-N 4120 – Technische Anforderungen an den Anschluss und Betrieb von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz (TAR Niederspannung)


Unternehmen mit Fokus auf Microgrid-Technologien:

awb-it GmbH – Intelligente Energiemanagement-Systeme: https://www.awb-it.de


Hinweis: Alle Links wurden am 06. November 2025 geprüft und waren aktiv.

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