EMS vs. Hybrider Inverter: Wer übernimmt welche Rolle beim netzdienlichen Verhalten?

Werner Böhme
 

Die Energiewende bringt neue Herausforderungen für die Netzstabilität mit sich. Während hybride Inverter und Energy Management Systems (EMS) beide zur Netzstabilität beitragen, haben sie unterschiedliche Aufgabenbereiche. Ein Überblick über die Rollen und Funktionen.

Hybrider Inverter: Der lokale Netzstabilisator

Hybride Inverter vereinen die Funktionen eines PV-Wechselrichters und eines Batterie-Wechselrichters in einem Gerät. Das integrierte Energiemanagementsystem entscheidet je nach Tageszeit und Verbrauchsbedarf, ob die Energie im Haus genutzt, in der Solarbatterie gespeichert oder ins Stromnetz eingespeist werden soll.

Intelligente Steuerungslogik: Fortschrittliche hybride Inverter können die Standard-Prioritätenreihenfolge (erst Batterie laden, dann Netzeinspeisung) intelligent umkehren. Bei sonnreichen Vormittagen kann überschüssige Energie netzdienlich ins Netz eingespeist werden, während die Batterie erst bei Netzüberlastung oder ungünstigen Strompreisen geladen wird. Diese Funktionalität ist derzeit bei speziellen Systemen verfügbar und wird zunehmend weiterentwickelt.

Netzdienliche Funktionen des hybriden Inverters:

Grundlegende Netzstabilisierung:

  • Automatische Blindleistungsregelung zur Spannungsstützung
  • Dynamische Netzstützung und Frequenzstützung
  • Fault-Ride-Through: Anlagen bleiben bei kurzzeitigen Netzstörungen am Netz
  • Leistungseinspeisung bei Unterfrequenz zur Netzstabilisierung

Adaptive Betriebsstrategien:

  • Intelligente Priorisierung zwischen Eigenverbrauch, Speicherung und Netzeinspeisung
  • Berücksichtigung der aktuellen Netzsituation für optimale Energieverteilung
  • Anpassung der Batterieladestrategie an Netzanforderungen

Technische Standards: Nach VDE-AR-N 4105 sind hybride Inverter verpflichtet, bestimmte systemtechnische Anforderungen zu erfüllen, darunter erweiterte Überwachungsfunktionen und maximal zulässige Leistungsgradienten.

EMS: Der intelligente Systemorchestrator

Ein EMS ist eine moderne Softwarelösung, die verschiedene Energievorgänge auf einer zusammenhängenden Plattform konsolidiert. Es umfasst Datenerfassung von Energiezählern und Sensoren, cloudbasierte Speicherung, fortschrittliche Analysen und Echtzeit-Berichterstattung.

Erweiterte netzdienliche Funktionen des EMS:

Intelligentes Lastmanagement:

  • Peak Shaving zur Glättung von Lastspitzen durch koordinierte Steuerung von Energiespeichern und Verbrauchern
  • Load Shifting: Verschiebung des Energieverbrauchs in netzdienliche Zeitfenster
  • Eigenverbrauchsoptimierung durch intelligente Koordination aller Systemkomponenten

Marktbasierte Optimierung:

  • Integration dynamischer Stromtarife basierend auf aktuellen Börsenstrompreisen
  • Automatisches Laden von E-Autos und anderen Verbrauchern zu günstigen Preisen
  • Preisbasierte Entscheidungsfindung für optimale Energie-Allokation

Vorausschauende Steuerung:

  • Wetterprognosen für optimale PV-Ertragsprognosen
  • Lernende Algorithmen für Verbrauchsmuster-Erkennung
  • Mehrtägige Optimierungsstrategien basierend auf Prognosen

Netzdienlichkeit nach §14a EnWG: Das EMS kann Signale vom Netzbetreiber verarbeiten und steuerbare Verbrauchseinrichtungen entsprechend regeln, um reduzierte Netzentgelte zu erhalten und zur Netzstabilität beizutragen.

Die klare Rollenverteilung

Was der hybride Inverter leistet:

  • Lokale Netzstabilisierung durch fest implementierte Schutz- und Regelfunktionen
  • Sofortige Reaktion auf Netzparameter wie Spannung und Frequenz
  • Adaptive Energieverteilung zwischen Eigenverbrauch, Speicherung und Netzeinspeisung
  • Compliance mit technischen Anschlussregeln und Netzstandards
  • Intelligente Batteriesteuerung basierend auf Netzsituation und Energiebedarf

Was das EMS zusätzlich ermöglicht:

  • Systemweite Energieoptimierung über mehrere Verbraucher und Erzeuger hinweg
  • Marktbasierte Entscheidungen durch Integration dynamischer Tarife und Börsenpreise
  • Vorausschauende Planung basierend auf Wetter-, Verbrauchs- und Marktprognosen
  • Koordination aller Haushaltsgeräte für maximale Effizienz und Netzdienlichkeit
  • Erweiterte Analytik für kontinuierliche Systemoptimierung

Die Synergie: EMS und hybrider Inverter im Zusammenspiel

Fortschrittliche Systeme ermöglichen es, dass PV-Strom zunächst zur Deckung der lokalen Nachfrage verwendet wird, dann je nach Netzsituation entweder zur Batterieladung oder zur Netzeinspeisung geleitet wird. Die Entscheidung fällt basierend auf aktuellen Netzanforderungen, Strompreisen und Prognosen.

Optimales Zusammenspiel:

  1. Hybrider Inverter sorgt für technische Netzkonformität und adaptive lokale Steuerung
  2. EMS übernimmt die strategische Optimierung und systemweite Koordination
  3. Gemeinsam ermöglichen sie sowohl lokale als auch systemweite Netzdienlichkeit

Die Zukunft: Intelligente Steuerungsalgorithmen

Innovative Systeme nutzen bereits fortschrittliche Steuerungsalgorithmen, die das traditionelle Verhalten umkehren können:

  • Netzdienliche Priorisierung: Statt automatisch die Batterie zu laden, wird überschüssiger Strom morgens ins Netz eingespeist
  • Intelligente Batterieladung: Die Batterie wird erst geladen, wenn Netzüberlastung droht oder Strompreise ungünstig werden
  • Adaptive Algorithmen: Das System lernt und passt sich an Netzanforderungen und Marktbedingungen an

Zwei Systeme, ein Ziel

Während hybride Inverter die technischen Mindestanforderungen für netzdienliches Verhalten erfüllen und zunehmend intelligentere Steuerungsalgorithmen erhalten, erweitert ein EMS diese Fähigkeiten um systemweite Optimierung und Marktintegration.

Netzdienlichkeit bedeutet, das Stromnetz optimal zu nutzen und den Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur zu minimieren. Die Zukunft gehört der Integration beider Systeme: Der hybride Inverter als intelligenter lokaler Stabilisator und das EMS als systemweiter Koordinator, der die Energiewende wirtschaftlich und netzdienlich gestaltet.

Die Technologie entwickelt sich rasant – moderne hybride Inverter entwickeln sich von einfachen Geräten zu intelligenten Netzmanagement-Systemen, die aktiv zur Stabilität unseres Stromnetzes beitragen.

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